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sueddeutsche.de: Die neuen Alten (2). Die Berufsjugendlichen
Der eine altert schneller, der andere langsamer. Unbewusst tut es keiner mehr. Die Generation "Silver Sex" setzt auf Selbst-Design - und altert smart optimiert.

Sie bekommen Babys, heiraten 20-Jährige, kennen die neuesten Fitness-Trends - die "neuen Alten" sind im Kommen. Auch die Werbung hat sie für sich entdeckt - jedoch mitnichten als senile Corega-Tabs-Nutzer, die auf Klosterfrau Melissengeist schwören. Vielmehr als Repräsentanten einer neuen, zahlungskräftigen Zielgruppe. Kein Wunder, dass die agilen Senioren zahlreiche Trendscouts und Zukunftsexperten beschäftigen. Im Zentrum ihrer Forschungsarbeit steht nicht nur die Frage, wie ältere Menschen heute in der Gesellschaft leben. Sie versuchen auch aus der aktuellen Entwicklung zu schließen, wie wir in Zukunft altern werden.

Die Trendforscher Corinna Langwieser und Peter Wippermann haben für diese Altersgruppe den Begriff "Generation Silver Sex" erschaffen. In ihrem Buch "Länger leben, länger lieben" skizzieren die beiden Autoren das Lebensgefühl der sogenannten Baby-Boomer, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden. Fazit: Diese Altersgruppe ist die reichste Generation, die wir in Deutschland je hatten. Nur 17 Prozent der über 50-Jährigen fühlen sich so alt, wie sie sind. Die Hälfte von ihnen macht sich lieber ein schönes Leben, statt ihr ganzes Geld für den Nachwuchs zu sparen. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung treiben sie am meisten Sport und: Sex verliert keineswegs an Bedeutung.

Langwieser, die für das "Trendbüro" in Hamburg forscht, ist davon überzeugt, dass wir es weniger mit einer neuen Ära zu tun haben, als vielmehr mit der Fortsetzung einer Lebenshaltung. Diese Gruppe repräsentierte einst die "Jugendwelle", es sind selbstbewusste Persönlichkeiten mit eigenen Erwartungen und Ansprüchen an das Leben. "Wir sprechen hier von den sogenannten 68ern, für die Begriffe wie Selbstverwirklichung und persönliche, auch sexuelle, Freiheit immer schon wichtig waren", erklärt die 38-Jährige. Was ältere Menschen heutzutage motiviere, sei die Möglichkeit, das Beste aus sich, ihrem Körper, ihrem Leben zu machen. Ihr zentrales Thema lautet "Selbstdesign", und sie tun etwas dafür. Kosmetik, Food, Gesundheitsvorsorge, Bildung, Sport, Kultur werden gezielt eingesetzt, um geistig fit und körperlich attraktiv zu bleiben.

Der ewige Jugendliche

Der Körper rückt dabei immer mehr in den Mittelpunkt, wird Mittel zum Zweck, das die eigene Attraktivität und die Weltanschauung reflektiert. Die Kehrseite der Medaille: Der allgegenwärtige Leistungsdruck hat damit auch die Alten erreicht. "Höher, schneller, weiter" lautet die Devise, die bislang immer nur die Berufstätigen auf Trab hielt. "Bestimmt wird es auch in Zukunft Menschen geben, die sich dem Alterungsprozess beugen", relativiert Langwieser, "doch gänzlich unbewusst wird es nicht ablaufen." Jeder überlege sich genau, ob er sich lieber perfekt verjünge, nur smart optimiere oder ganz und gar natürlich altere. "Nur eines wird es nicht mehr geben", ist sich die Trendforscherin sicher: "unbewusst-ungestylt altern."

Darüber freut sich nicht zuletzt die Schönheitschirurgie. Sie profitiert von einem neuen Trend: dem Wiederherstellen des Ursprungszustands. Nach Meinung von Experten geht die Entwicklung in diese Richtung weiter: "Das wird so dazugehören, wie wenn ich zum Friseur gehe", sagt Dieter Riediger, Professor für Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Aachen voraus. Wer 70 Jahre alt sei, geistig aber wie 45, wolle auch so aussehen. Kein Wunder also, dass schätzungsweise 65 Prozent der Patienten über 50 Jahre alt sind.

So mancher schießt dabei leider übers Ziel hinaus. Das zeigt sich vor allem bei Prominenten wie Farrah Fawcett oder Mickey Rourke, deren Gesichter - jeglicher Mimik beraubt - eher starren Masken ähneln, als Jugendlichkeit auszustrahlen. Andere wiederum setzen lieber auf Natürlichkeit und aktivieren ihre eigenen Kräfte. In seinem Buch "Mensch, beweg dich!" verrät Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt die Geheimformel für ein längeres Leben - und trifft damit den Nerv der Zeit. Die Devise des prominenten Sportmediziners: Wer mit 50 aussehen will wie 40, muss mit 30 anfangen, etwas dafür zu tun. Die logische Konsequenz: Wer später altert, wird auch später erwachsen. Experten setzen diese Entwicklungsstufe auf etwa 40 Jahre an. "Wir fühlen uns nur kurz als Kind gut und treten dann in eine Phase kaum enden wollender Jugendlichkeit ein - sicherlich mit negativen Konsequenzen für die Gesellschaft, die Familienplanung und die Rentenkassen", erklärt Langwieser.

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