Warum Männer Affen und Frauen Cool Cats sind: eine Glosse zum Thema "Postsexuelle Revolution"
Meine Grundthese zur Postsexuellen Revolution ist ganz schlicht: Frauen und Männer sind nicht gleich. Wir sollten aufhören sie gleich machen zu wollen. Und uns stattdessen über die Unterschiede freuen.
Nichts hat meine Sicht auf das Thema Gender in den letzten Jahren so sehr geprägt wie die Affentheorie. Vereinfacht gesagt hatte ich bereits viele Jahre lang das Gefühl, dass Männer evolutionär einfach noch viel näher am Affen sind als Frauen. Das ist auch nicht weiter schlimm. Ich mag Tiere oder, um es mit der New Yorker Modedesignerin Diane von Furstenberg zu sagen: „Ich liebe Männer. Sie sind eine andere Sorte Tier“.
Wie ich darauf kam Männer mit Affen gleichzusetzen, ist ebenfalls schnell erzählt: Als Frau Mitte 40 habe ich bereits so viel erlebt und erzählt bekommen, dass mir klar wurde, dass Frauen und Männer sich manchmal echt wie Tiere aufführen. Und das Tier, das uns Menschen am ähnlichsten ist, ist eindeutig der Affe.
Sie können mir glauben, dass mein Erstaunen dennoch groß war, als ich einem Artikel des „National Geographic“ entnehmen konnte, dass die genetische Übereinstimmung zwischen dem Menschenmann und dem Affenmann größer ist als zwischen dem Menschenmann und seiner Menschenfrau. Dass das umgekehrt für die Menschenfrau und die Affenfrau auch gelten muss, verschwieg der Artikel geflissentlich. Immerhin war es ein Mann, der mich darauf aufmerksam machte.
Hat man die Affentheorie einmal im Kopf, ist es wie mit einem Skoda Yeti: Wer je darüber nachdachte, sich einen zuzulegen (nicht zuletzt, um ein kleines bisschen seinen unkonventionellen Geschmack beim Thema Auto unter Beweis zu stellen), dürfte überrascht sein, wie viele Belege es dafür gibt bzw. wie viele Yetis so rumfahren: Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass Donald Trump öffentlich zu beweisen versucht, dass sein Vater kein Orang Utan ist; dass frisch mit einem Braun Rasierer geshavte Männer sich von Schimpansen in Menschen zurückverwandeln; oder dass „der Mensch auch nur ein kochender Affe ist“, wie der Harvard-Anthropologe Richard Wrangham sagt. Immerhin Mensch, nicht Mann.
Wie aber geht man im Alltag mit dieser Erkenntnis um? Wenn es ein Grundgefühl gibt, dass Frauen meiner Generation in Bezug auf das Thema Postsexuelle Revolution eint, ist es sicher Abgeklärtheit. Unglückliche Menschen würden Resignation dazu sagen, glückliche nennen es entspannt. Fast keine Frau in ihren 40ern würde behaupten, dass Frauen und Männer heute gleichberechtigt sind – ich persönlich kenne zumindest keine einzige. Die allerwenigsten von uns machen daraus aber noch ein großes Drama.
Während jüngere Frauen kaum aufhören können, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie alle Rollenerwartungen, die auf ihr lasten (Supermutter, Mitarbeiterin des Monats, Sexiest Woman alive), in den nächsten Jahren erfüllen werden, verwandeln sich viele Frauen mit Anfang 40 wieder in Cool Cats zurück: Sie berichten amüsiert von den Verwerfungen des Alltags, von den kleinen und großen Katastrophen mit Kindern, Männern, Chefs – aber sie nehmen sich selbst und den Wahnsinn, der es mit sich bringt, eine Frau im 21. Jahrhundert zu sein, nicht mehr so ernst. Genauso, wie es übrigens ein Wahnsinn ist, ein Mann im 21. Jahrhundert zu sein, der ebenfalls nicht nur High Performer sondern auch toller Lover, liebevoller Vater und empathischer Freund sein soll. Und das alles als Affe.
Frauen in ihren 40ern, ob nun mit oder ohne Kind, mit oder ohne Mann, geschieden oder alleinerziehend, verbeamtet oder selbständig, wissen meist sehr genau, was sie können, was sie wollen, was ihnen wichtig ist. Sie haben genug Lebenserfahrung, um sich im Job und beim Sommerfest der Schule pudelwohl zu fühlen, aber sie sind noch so fit und gut aussehend, dass sie sich die „Brigitte Woman“ für Frauen 40+ wirklich noch für später aufsparen.
Mit der gleichen Unaufgeregtheit nähern sie sich den Themen Werbung und Kommunikation, Mode und Sport, Kultur und Reisen. Bedürfnisse sind bekannt, Bildbearbeitung wird durchschaut, Grenzen nicht mehr ausgelotet sondern klar gezogen. Beruflich haben wir noch 20 volle Jahre vor uns, privat sogar noch weit mehr; beruflich und privat aber bereits 20 volle Erwachsenenjahre hinter uns. Viel wurde in diesen Jahren gedacht und geschimpft, gelacht und gejätet. Jetzt kann geerntet werden.
Wenn ich den Blick nach vorne richte, dann wird mir nicht bange: Die Quote, diese schäbige alte Krücke, wird mehr Frauen in die Jobs, mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Sie ist nicht gerecht, weil sie Frauen bevorteilt und Männer benachteiligt – allein aufgrund ihres Geschlechts. Aber es handelt sich eben um ausgleichende Ungerechtigkeit.
Mein Traum ist eine Gesellschaft, in der die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht in den Hintergrund tritt. In der uns die Vereinbarkeit von Job und Familie leicht gemacht wird. Und in der jeder Mensch seine Persönlichkeit ausleben kann, die durchaus weiblich und männlich geprägt sein darf. Ich mag die Seiten an mir, die typisch Frau sind. Und ich kultiviere auch das, was eher männlich ist. Wenn ich es mir hätte aussuchen können, wäre ich sicher ein Mann geworden, weil ich glaube, dass es einfacher ist, sich manchmal wie ein Affe aufzuführen. Gleichzeitig bin ich froh, dass ich keine Wahl hatte, denn eigentlich bin ich auch sehr gerne Frau.
Einmal las ich von einem Wissenschaftler, der versuchte, seine Töchter bewusst an vermeintlich männlich konnotiertes Spielzeug heranzuführen. Er musste einräumen, dass sein Experiment gescheitert war, als er sah, wie liebevoll die Mädchen ihre Bagger abends zum Schlafen zugedeckt hatten... Frauen und Männer sind nicht gleich. Nicht nur weil sie unterschiedlich erzogen werden und andere Erfahrungen machen. Sondern einfach weil das Geschlecht eben doch einen Unterschied macht. Keinen Unterschied allerdings sollte es in der Welt der Zukunft mehr machen, ob wir weiblich, männlich oder irgendetwas dazwischen sind.